Rede von Stadtrat Michael Weickert in der Ratssitzung am 20.05.2015

Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren, verehrte Gäste!
Vor nicht allzu langer Zeit hat dieses hohe Haus über die Gedenkplakette am Geburtshaus Bruno Apitz` gestritten. Als Union haben wir damals die Meinung vertreten, daß einem solch exponierten Vertreter vergangener Zeit keine Würdigung aus öffentlicher Hand zukommen sollte.
Heute befassen wir uns mit dem, politisch gesehen, anderen Extrem. Bismarck ist heute mehr denn je auch eine umstrittene Figur der deutschen Geschichte. Der „Eiserne Kanzler“, der Reichsgründer und Erbauer nationaler Einheit, der Vater des modernen deutschen Sozialversicherungssystems. Auf der anderen Seite aber auch der Monarchist, der aus pietistischer Frömmigkeit heraus radikale Sozialisten und Katholikenhasser, das Sinnbild preußischen Militarismus.
Keines dieser beiden Extreme ist so ganz wahr oder ganz falsch.
Daß wir heute in einem sozialen und demokratischen Rechtsstaat leben, in einer Republik, in der das Volk der Souverän ist, war von Bismarck wohl nicht gewollt, doch legte er in der Gründung des ersten deutschen Nationalstaates wie auch in der Begründung der Sozialversicherung in Deutschland die Grundlagen dafür.
Unbestritten seien auch die diplomatischen Künste des Kanzlers, die immerhin mehr als 40 Jahre Frieden in Mitteleuropa erbrachten.
Aus diesen Gründen mag eine Straßenbenennung, wie sie bereits im Leipziger Südwesten vorherrscht, gerechtfertigt sein.
Wir müssen aber auch konstatieren, daß Bismarck uns Sachsen nicht wirklich wohlgesonnen war. Auch gibt es keinerlei engere Bindung Bismarcks an Leipzig. Wir sehen es daher gegeben, diesen Antrag der AfD-Fraktion abzulehnen. Wir müssen in unserer geschichtspolitischen Haltung konsequent bleiben, historische Persönlichkeiten und die Erinnerungskultur um sie nach unseren heutigen Maßstäben zu bewerten.
Ein prominenter Platz für den preußischen Junker scheint daher hier und heute unangebracht. Stattdessen sollten wir unsere Anstrengungen um eine Freiheits- und Einheitsdenkmal verstärken, da die Einheit unseres Landes im Endeffekt auch in Bismarcks Sinne gewesen sein mag.