Inklusion ist ein politischer Kunstbegriff

Rede von Stadtrat Karsten Albrecht zur Bildungspolitischen Stunde im Stadtrat am 16.09.2015

Sehr geehrter Herr Oberbügermeister, sehr geehrte Frau Professorin Schuppener,

Sehr geehrte Schulleiterinen, meine Sehr geehrten Damen und Herren Bürgermeister und Stadträte

Liebe Gäste,

wir haben in Leipzig einige Dinge zu lösen, die brisant sind.

Die Unterkünfte für Asylbewerber reichen momentan nicht aus, die Kitaplätze und Kitasanierungen und die Schulen, Sanierungsstau und Plätze.

 Durch die Anstrengungen der CDU Fraktion in den Haushaltsdiskussionen und in den Fachausschüssen haben wir heute eine Prioritätenliste der Schulsanierungen mit Kosten und Bauzeiten vorliegen. Jeder weiß also, welche Herausforderungen zum Thema Schulbau vor uns liegen.

Und was machen wir hier im Rat?

Wir befassen uns heute mit Inklusion, einem Thema was z.B. den Schulausbau nicht vereinfacht.

 In der 5. Wahlperiode des sächsischen Landtages haben die Bündnis/Grünen und die SPD einen Antrag eingebracht, der ich zitiere:
„Inklusion über den Bildungsbereich hinaus als zentrales Zukunftsproblem??? und als Leitbild in Sachsen zu etablieren.“

 So weit so gut,

Aber was ist Inklusion eigentlich? In meinem Duden finde ich dieses Wort nicht. Inklusion ist lateinisch und heißt „Einschließen“.

 Es wird in der Mathematik als Teilmengenbezeichnung, in der Physik als Einschluss in Materialien und in der Sozialwissenschaft im Rahmen der sozialen Inklusion verwendet.

 Die sozialpolitische Sprecherin der Bündnis/Grünen im Landtag, Frau Herrmann forderte einen Aktions- und Maßnahmeplan zur zielgerichteten Umsetzung von Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention.

 Zitat: „Die meisten Kinder und Jugendliche mit Behinderung werden in Förderschulen abgeschoben … das muss sich dringend ändern wir wollen inklusive Schulen und eine inklusive Gesellschaft.“

 Meine Damen und Herren,
solche Äußerungen tun nicht nur engagierten Förderpädagogen weh. Sie zeigen auch, dass gar nicht wirklich bekannt ist, welch anspruchsvolle Arbeit in Förderschulen geleistet wird und was an ganzheitlicher und individueller Förderung geschieht, die in der Regelschule kaum leistbar sind.

 Die Forschung meldete sich am 13. Juni 2014 in der Tagesschau zu Wort. Gewarnt wird vor voreiliger Schließung von Förderschulen.

 Gegner der Inklusion sagen, es handelt sich nicht um eine Methode, sondern um eine Ideologie. Denn es geht nicht mehr um das Glück des Einzelnen und seine Lernentwicklung, sondern im Mittelpunkt steht die Umbildung der Gesellschaft.
Die Gesellschaft soll umerzogen werden, ein Ansatz den wir aus Grüner Politik leider in den letzten Jahren schon immer einmal hören mussten, z.B. Veggietag, oder autofreie Städte.

 Umdenken an sich schadet ja nicht und Menschen mit Behinderung mit mehr Selbstverständlichkeit zu begegnen, wäre unbedingt wünschenswert. Die Frage ist, wie sehr den besonderen Bedürfnissen von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Regelschulen wirklich entsprochen werden kann.

 Sind sie nur „Instrument“ um den Regelschülern Sozialkompetenz zu vermitteln oder haben sie auch selbst etwas davon? Schülern mit Sinnes – Behinderungen oder körperlichen Einschränkungen kann man durch Hilfsmittel und Nachteilsausgleiche sicher gut gerecht werden. Schwieriger ist es bei Kindern, die Lernziel – Different, also nicht nach Regellehrplan unterrichtet werden müssen. Sie werden nur bedingt die Lerninhalte fassen können, die in der Regelschule durch den Schwerpunkt „Wissensvermittlung“ kaum Platz hat.

Also werden auch hier Sonderregelungen nötig.

Alle die Inklusion propagieren, sollten auch aufpassen, dass nicht Migranten und Behinderte Kinder in einen Topf geworfen werden.

Denn Integration lässt einzelne Gruppen zu, Inklusion vermischt alles.

Hier ein Zitat von Eltern eines Förderschülers: „Die Förderschulen lehren den Kindern sogar das Rechnen auf ihrem Niveau.“

Kommen wir nun zur UN-Behindertenrechtskonvention. Der Begriff Inklusion kommt in der deutschen Übersetzung nicht ein einziges Mal vor, der Begriff Integration 13 x, und Teilhabe auch 13 x.
Diese Wortwahl ist mir sehr lieb, denn niemand hier im Raum wird bestreiten wollen, dass wir Teilhabe und Integration wollen.

Auch in den französischen oder englischen Übersetzungen kommt das Wort Inklusion nur sehr unterrepräsentiert vor. Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf der Begrifflichkeit Teilhabe!

Meine Damen und Herren,

Inklusion ist ein politischer Kunstbegriff, den wir gar nicht mehr verwenden sollten.

Lassen Sie mich zitieren:

Art. 3 d)
Grundsatz ist die Achtung vor der Unterschiedlichkeit von Menschen mit Behinderung und die Akzeptanz dieser Menschen als ein Teil der menschlichen Vielfalt … und die Achtung ihres Rechtes auf Wahrung ihrer Identität.

Wie soll ich mir das vorstellen, wenn ein Kind in seiner Schulzeit ständig erleben muss, dass es links überholt wird und nie die Chance hat gleich zu ziehen?

Das ist wirklich ein Problem, da Kinder, auch die mit einer geistigen Behinderung, wohl merken, ob sie Erfolg oder Misserfolg haben. Auch die Unterstützung durch Einzelfallhelfer (Schulbegleiter) kann die Sonderstellung eines Kindes unterstreichen und in soz. Abhängigkeit bzw. Unselbstständigkeit führen.

Und bleiben wir im Bild.

Wollen wir wirklich, dass auf unseren Bildungs- Autobahnen auf der Linken Spur die 50 km/h Geschwindigkeitsbegrenzung eingeführt wird?

Artikel 4 der UN-Behindertenkonvention sagt, dass sich die Vertragsstaaten verpflichten, den „ … besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen mit möglichst geringen Anpassungs- und Kostenaufwand gerecht zu werden.“

Für Leipzig habe ich manchmal den Eindruck, dass wir gegen diesen Artikel schon heute verstoßen, wenn wir jede einzelne Schule in Leipzig behindertengerecht ausbauen wollen und möglichst noch mit 2 behinderten gerechten Fahrstühlen.
Ja, natürlich brauchen wir diese Lernmöglichkeiten für behinderte Menschen, vielleicht reicht es aber auch, jede 2. Schule entsprechend auszubauen.

Dieser Vorschlag widerspricht nicht Artikel 9, der die gleichen Zugangsmöglichkeiten zu Bildung und Teilhabe am öffentlichen Leben fordert.

Barrierefrei zu bauen, besonders im öffentlichen Raum, sollte schon zur Selbstverständlichkeit werden, das kommt auch Senioren und Eltern mit Kinderwagen entgegen.

Führen wir die Inklusion ein und schaffen Förderschulen ab, müssen wir jedoch im Blick haben, dass neben Bau- und Umbaukosten auch ein höherer Personalaufwand z.B. für geringe Klassenstärken und eine intensive Weiterbildung der Pädagogen für gelingende Integration unerlässlich ist, wenn man den Qualitätsanspruch hat, Kinder mit Förderbedarf nicht nur „mitlaufen“ zu lassen, sondern ganzheitlich zu fördern.

Artikel 24 beschreibt die Chancengleichheit und den Anspruch das sich behinderte Menschen zu ihrer vollen Entfaltung entwickeln sollen.

Ich bin der Meinung, dass sich eine individuelle Förderung, auch und gerade an einer Förderschule sehr gut umsetzen lässt. Viele Schüler profitieren von diesem „Schonraum“ bzw. ist er für sie unerlässlich.
Bitte besuchen Sie z.B. die Förderschule der Diakonie am Silbersee, dort werden sie es erleben.

Unser Ziel als CDU ist es gemäß UN-Behindertenkonvention Art. 24 c), Menschen mit Behinderung zur wirklichen Teilhabe an einer freien Gesellschaft zu befähigen.

Das soll heißen: Förderschulen haben ihre Berechtigung und Bestand, neben vielfältigen Maßnahmen, die die Teilhabe von Menschen mit Behinderung fördern.

 Folgen wir den Ratschlag des Theologen/Pädagogen Wilfried Steinert, (Er ist Leiter der Waldhofschule in Templin, einer Förderschule, die Regelschüler integriert):
„Opfern sie ihr Kind nicht auf dem Altar der Inklusion.“

 Also noch einmal:

Inklusion ist ein politischer Kunstbegriff den wir gar nicht mehr verwenden sollten.

Der Begriff ist: Teilhabe und dafür setzt sich die CDU in Leipzig ein.

 Danke.