Andrea Niermann zur Wahl des Kulturbürgermeisters im Leipziger Stadtrat am 09.06.2016

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Herren Beigeordnete, sehr geehrte Frau Dubrau, sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen, liebe Gäste und Zuschauer am Livestream,
Sehr geehrte Frau Dr. Jennicke, voranstellen möchte ich meinem Statement folgendes: Die Mehrheit dieser Ratsversammlung – das ist uns Mitgliedern der CDU-Fraktion absolut klar – will Sie als Bürgermeisterin,…..
auch, wenn Sie keine Erfahrung haben und es einen besser geeigneten Kandidaten für dieses Amt gibt, …
auch – oder gerade weil – Sie Mitglied der Partei sind, die aus der SED hervorgegangen ist. Das ist uns bewusst, wir werden diese Entscheidung akzeptieren und wünschen uns – ungeachtet gegensätzlicher politischer Überzeugungen – um der Sache willen – zum Wohle der Stadt Leipzig – eine gute und faire Zusammenarbeit mit Ihnen als Bürgermeisterin.
Wenn doch also mir und den Mitgliedern meiner Fraktion absolut klar ist, dass Sie, liebe Stadtratkollegen und -kolleginnen, heute wieder mit großer Mehrheit Frau Dr. Jennicke zur Kulturbürgermeisterin wählen werden, warum dann an dieser Stelle überhaupt noch was sagen?
Schließlich sind wir doch nur für die Wahl heute hergekommen, oder nicht.
Ja stimmt, es gibt nun noch einige andere Punkte, die wir heute beschließen. Ohne die fehlerhafte Wahl vom 18.Mai wären wir aber heute nicht hier.
Und diesmal werden Sie, Frau Dr. Jennicke, sich nicht an Ihrer eigenen Wahl beteiligen. Alles wird gut!
Wozu also noch rum ningeln und den schlechten Verlierer geben?
Weil wir als Stadträte die Pflicht habe, zu kontrollieren und zu kritisieren.
Meine Damen und Herren,
ich habe den Eindruck und bin davon überzeugt, in den Fraktionen der Grünen, der Linken und der SPD steht bereits seit mindestens einem Jahr fest, dass Frau Dr. Jennicke zur Kulturbürgermeisterin gewählt wird.
Nicht dass Sie mich falsch verstehen: Daran ist nichts verwerflich, so ist das nun mal in der Politik, man muss sich Bündnispartner suchen.
Ich kritisiere allerdings zweierlei:
Erstens hätte es dafür keiner Auswahlkommission und keiner Auswahlgespräche bedurft. Es war schade um die Zeit und respektlos gegenüber den vier übrigen Bewerbern und Bewerberinnen, die aus ganz Deutschland z.T. über mehrere hundert Kilometer angereist sind. Hätten sie gewusst, dass die zukünftige Kulturbürgermeisterin schon feststeht, hätten sie sich diesem Auswahlverfahren sicher nicht unterzogen. Herr Könneke hat das in seinem an den Oberbürgermeister und an uns Stadträte gerichteten Schreiben, mit dem er seine Bewerbung zurückzog, zutreffend kritisiert.
Es hätte in dieser Situation völlig genügt, die Stelle den gesetzlichen Erfordernissen entsprechend auszuschreiben.
Zweitens hätte die eigentliche Wahl besser vorbereitet sein müssen.
Sowohl Frau Dr. Jennicke, die ja schließlich Bürgermeisterin werden will, als auch die Verantwortlichen in der Verwaltung hätten wissen müssen, dass sich Frau Dr. Jennicke an ihrer eigenen Wahl nicht beteiligen darf. Es ist nicht das erste Mal, dass Stadträte in Leipzig bei einer Bürgermeisterwahl kandidieren. Der Wortlaut von § 20 Abs. 1 der SächsGemO ist zudem eindeutig. Selbst ein Schulkind begreift, was da steht und weiß: Wenn ich durch die Wahl in eine Position komme, die mir sieben Jahre lang ein hohes monatliches Einkommen bringt, darf ich nicht mitwählen. Wenn man Ihnen, Frau Dr. Jennicke, oder Ihnen, Herr Pellmann, in der Verwaltung etwas anderes gesagt hat, müssen Sie Ross und Reiter benennen.
Wer genau bzw. welche Stelle hat Ihnen da eine so falsche Auskunft gegeben??
Hier muss – meinen wir – reagiert werden, um jedenfalls zukünftig Schaden vom Amt des Kulturbürgermeisters und von der Stadt Leipzig abzuwenden. So Etwas darf nicht noch einmal geschehen.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
§ 20
(1) Der ehrenamtlich Tätige darf weder beratend noch entscheidend mitwirken, wenn er in der Angelegenheit bereits in anderer Eigenschaft tätig geworden ist oder wenn die Entscheidung ihm selbst oder folgenden Personen einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann:
1.
seinem Ehegatten, Verlobten oder Lebenspartner nach § 1 des Lebenspartnerschaftsgesetzes,
2.
einem in gerader Linie oder in Seitenlinie bis zum dritten Grade Verwandten,
3.
einem in gerader Linie oder in Seitenlinie bis zum zweiten Grade Verschwägerten oder als verschwägert Geltenden, solange die die Schwägerschaft begründende Ehe oder Lebenspartnerschaft nach § 1 des Lebenspartnerschaftsgesetzes besteht,
4.
einer von ihm kraft Gesetzes oder Vollmacht vertretenen Person,
5.
einer Person oder Gesellschaft, bei der er beschäftigt ist, sofern nicht nach den tatsächlichen Umständen der Beschäftigung anzunehmen ist, dass kein Interessenwiderstreit besteht,
6.
einer Gesellschaft, bei der ihm, einer in Nummer 1 genannten Person oder einem Verwandten ersten Grades allein oder gemeinsam mindestens 10 vom Hundert der Anteile gehören,
7.
einer juristischen Person des privaten Rechts, in deren Vorstand, Aufsichtsrat, Verwaltungsrat oder vergleichbarem Organ er tätig ist, oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, ausgenommen einer Gebietskörperschaft, in deren Organ er tätig ist, sofern er diese Tätigkeit nicht als Vertreter der Gemeinde oder auf deren Vorschlag hin ausübt.
(2) Absatz 1 gilt nicht
1.
für Wahlen zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit,
2.
wenn die Entscheidung nur die gemeinsamen Interessen einer Berufs- oder Bevölkerungsgruppe berührt.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.