Stadträtin Andrea Niermann zu den Wirtschaftsplänen der Kultur-Eigenbetriebe für 2017
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren Beigeordnete, liebe Kollegen und Kolleginnen, sehr geehrte Leiter unserer Eigenbetriebe, liebe Gäste,
Und wieder einmal geht es um die Kultureigenbetriebe, wieder einmal um Wirtschaftspläne. Nachdem wir vor einem Monat über die Wirtschaftspläne für das Jahr 2016 abstimmen sollten – Sie erinnern sich, die CDU Fraktion beteiligte sich an dieser Farce nicht – liegen uns heute die Wirtschaftspläne für das Jahr 2017 vor.
Die Kultur-Eigenbetriebe beschäftigen den Leipziger Stadtrat schon sehr lange. Schon im Verlauf vergangener Wahlperioden wurde hier über Notwendigkeit, die Betriebe neu zu strukturieren, diskutiert. Die CDU-Fraktion hat hierzu bis heute mehrere Vorschläge unterbreitet. Leider führten jahrelangen Beratungen, teure Gutachten, dabei stetig steigende Zuschüsse für die Kultur-Eigenbetriebe aus Steuermitteln und auch die Anforderungen an eine wachsende Stadt zu keinem Wandel.
Es ist uns leider nicht gelungen, eine Mehrheit im Stadtrat von der Notwendigkeit struktureller Veränderungen zu überzeugen. Das Beharrungsvermögen großer Teile dieses Gremiums hinsichtlich eingefahrener Strukturen haben wir unterschätzt. Ihre Mutlosigkeit, Herr Oberbürgermeister, hat uns überrascht. Wir können uns nicht vorstellen, dass Ihnen der Fortbestand unserer Häuser nicht ebenso am Herzen liegt, wie uns. Mit dem im September hier mit knapper Mehrheit gefassten Beschluss zu den strukturellen und finanziellen Rahmenbedingungen der Eigenbetriebe bis 2020 wurden die bestehenden Strukturen in den Kulturbetrieben erst kürzlich noch zementiert. Das ist sehr bedauerlich.
Mit den im September beschlossenen Zuschüssen werden Finanzbedarfe in den Häusern bedient, erwartete Tarifsteigerungen durch den Stadthaushalt übernommen. Sie enthalten aber keine wirklichen Anreize für die einzelnen Häuser, dafür zu sorgen, dass zukünftig die Zuschüsse jedenfalls nicht mehr weiter steigen. Diese Anreize aber sind dringend notwendig.
Liebe Kollegen und Kolleginnen, nun also liegen uns heute die Wirtschaftspläne für das Jahr 2017 vor. Sie sind ausgeglichen. Aber können wir ihnen deshalb auch zustimmen? Wir halten es für unangemessen, alle Kultur-Eigenbetriebe gleich zu behandeln. Unser Fraktionsvorsitzender hat es in der Haushaltsrede bereits gesagt und ich möchte unsere Argumentation hier gerne wiederholen und fortführen.
Wir wissen, dass es immer sehr schwierig ist, die Qualität von Kultur zu bewerten. Politik kann sich bei Diskussionen über Inszenierungen an Theatern und über Spielpläne nur die Finger verbrennen. Die Freiheit der Kunst ist ein hohes Gut, keine Frage. Aber es ist auch unsere Aufgabe als Stadträte, als gewählte Vertreter der Bürgerinnen und Bürger, Kriterien zu finden, nach den der Erfolg einer Kultureinrichtung gemessen werden kann. Oper und Gewandhaus, Schauspiel und Theater der Jungen Welt erhalten zusammen 87,577 Mio. Euro Zuschüsse aus dem Haushalt der Stadt Leipzig. Der Steuerzahler lässt sich die Kultur in Leipzig viel Geld kosten, das ist auch gut und richtig so, Leipzig ist eine Kulturstadt.
Betrachtet man jedoch die Entwicklung der Ausgaben in den letzten Jahren, kann einem Angst und Bange werden. Seit den Wirtschaftsplänen 2000/2001 sind die Zuschüssen für die Eigenbetriebe Oper, Gewandhaus, Schauspiel und TdJW um insgesamt 42,2% gestiegen. Oder in absoluten Zahlen, um knapp 26 Mio. Euro, von 61,6 auf heute knapp 87,6 Mio. Euro.
Zu unseren Pflichten als Kommunalpolitiker gehört auch und vor allem, über die Verwendung der uns von unseren Bürger zur Verfügung gestellten Steuergeldern zu wachen.
Die Mitglieder der CDU-Fraktion werden sich um diese Aufgabe nicht drücken, auch nicht im Kulturbereich.
Dabei ist ein ausgeglichener Wirtschaftsplan kein alleiniges Qualitätskriterium für eine Kultureinrichtung. Auch ein Theater, das wenig Menschen besuchen, kann einen ausgeglichenen Wirtschaftsplan vorlegen. Für uns war es wichtig, ein Kriterium zu finden, Kultur messbar zu machen.
Das Hauptkriterium für die CDU-Fraktion ist deshalb die Entwicklung der Zuschauerzahlen unter Berücksichtigung der in den letzten Jahren gestiegenen Einwohnerzahlen.
Kunst und Kultur sind nicht Selbstzweck, Kunst und Kultur sollen die Menschen erfreuen, zum Nachdenken anregen und – ja auch – bilden. Wie viele Menschen erreichen wir aber eigentlich mit unseren kommunalen Kulturangeboten?
Die Zahl der Gewandhausbesucher ist von 183.000 im Jahr 2001 auf 256.000 im Jahr 2015 gestiegen. Das ist ein Zuwachs von 40%. Gewachsen sind auch die Besucherzahlen des Theaters der Jungen Welt von 35000 in 2001 auf 56000 in 2015. Das sind 60% mehr Besucher.
Die Zahl der Opernbesucher blieb weitgehend gleich – obwohl die Stadt seit 2001 deutlich gewachsen ist.
Währenddessen ging die Zahl der Schauspielbesuche sogar zurück, von 77000 in 2001 auf 62000 im Jahr 2015. Wie sich die Zuschüsse für die einzelnen Häuser in den Jahren entwickelt haben, wissen sie selbst, sehr geehrte Damen und Herren. Ich könnte jedenfalls durchaus verstehen, wenn sich angesichts dieser Zahlen TdJW und Gewandhaus schlecht behandelt fühlen.
Wir wissen, dass weder die Stagnation der Besucherzahlen bei der Oper seit 2001, noch der Rückgang beim Schauspiel auf das Wirken der beiden heutigen Intendanten zurückzuführen ist. Es sähe wohl noch schlimmer aus, wenn nicht vor allem Herr Prof. Schirmer, aber auch Herr Lübbe in den letzten Jahren für einen langsamen Zuwachs der Besucherzahlen gesorgt hätten. Aber: Ohne eine grundlegende Strukturreform, wie von der CDU-Fraktion mehrfach gefordert, reichen diese Bemühungen eben nicht aus.
Die CDU-Fraktion erwartet von Schauspiel und Oper, dass man sich dort Gewandhaus und Theater der Jungen Welt zum Vorbild nimmt und alle möglichen und zumutbaren Anstrengungen unternimmt, eigene Zuschauerzahlen und damit Einnahmen zu steigern. Solange dies nicht geschieht, werden wir – wie auch heute – den Wirtschaftplänen von Oper und Schauspiel nicht zustimmen.