Kulturförderrichtlinie: Unabhängige und gerechte Fördermittelvergabe nicht zu gewährleisten

Andrea Niermann

Andrea Niermann

BA Kulturstätten; FA Kultur

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren Beigeordnete, liebe Kollegen und Kolleginnen, liebe Gäste,

 

Nun liegt sie also vor, die neue Fachförderrichtlinie Kultur oder in Langfassung: die „Richtlinie der Stadt Leipzig zur Förderung freier kultureller und künstlerischer Projekte und Einrichtungen.“ 

Nachdem wir im Mai des vergangenen Jahres die Rahmenrichtlinie zur Vergabe von Zuwendungen beschlossen haben, waren alle Fachförderrichtlinien anzupassen – auch die zur Kultur. Unabhängig davon gab es Reform- und Verbesserungsbedarf, der auch von unserer Fraktion immer wieder angesprochen wurde.

 

Sehr lange wurde über die neue Richtlinie diskutiert.

 

Von langer Hand wurde sie politisch vorbereitet. Wir erinnern uns daran, dass Sie Frau Dr. Jennicke, ganz frisch ins Amt gekommen, einen Kulturbeirat installieren wollten, der – ich zitiere aus der damaligen Vorlage – folgende Aufgaben haben sollte:

 

•         Beratung der politischen Gremien des Stadtrates und der Verwaltung in Form von qualifizierten Empfehlungen zu kulturpolitischen Sachverhalten von strategischer Bedeutung, beispielsweise der Kulturentwicklungsplanung und der Evaluierung der Fachförderrichtlinie;

•         Sicherstellung der Akzeptanz kulturpolitischer Entscheidungen bei den Akteuren;

•         Ausgleich der unterschiedlichen Interessen der Akteursgruppen in einem legitimierten Gremium mittels eines geordneten Verfahrens;

•         Aufnahme praxisrelevanter Themen in die kulturpolitische Diskussion;

•         Beratung im Fördermittelvergabeverfahren hinsichtlich mittel- und langfristiger Ziele, Förderkriterien und Förderinstrumente.

 

Nachdem Sie erkannten, dass Sie mit einem Beirat an die Grenzen der Sächsischen Gemeindeordnung stoßen würden, schlugen Sie die Einrichtung eines Kulturrates vor, der dieselben Aufgaben haben sollte. Gegen die Stimmen der CDU-Fraktion wurde der Kulturrat eingerichtet.

 

Liebe Frau Dr. Jennicke, zunächst einmal gratuliere ich Ihnen. Mit dieser Vorlage, die jedenfalls nach den Ergebnissen der Vorberatungen in den Ausschüssen heute hier eine Mehrheit finden wird, haben Sie Ihr Ziel erreicht. Sie haben ihr Versprechen gegenüber Vertretern und Vertreterinnen der Initiative Leipzig + Kultur und gegenüber den weiteren sogenannten Akteuren der freien Kultur auf mehr Beteiligung im Verfahren zur Bewilligung von Projektförderungen eingelöst.

 

Denn erstens wird die Projektförderung in der neuen Förderrichtlinie  gegenüber der institutionellen Förderung erheblich ausgebaut – dafür sorgt im Übrigen auch der Antrag zur Erhöhung der Projektförderung, über den wir heute zu entscheiden haben – und

 

zweitens erhalten die Initiative Leipzig + Kultur und der neu gegründete Kulturrat ein erhebliches Mitspracherecht im Bewilligungsverfahren.

 

Nach 5.1. der Richtlinie sollen u.a. folgende Projekte förderungswürdig sein:

 

Gastspiel- und Wiederaufnahmeförderungen  Debütförderungen, die auf Bedürfnisse von Berufseinsteigern angepasst sein sollen und

Konzeptionsförderungen

Projektförderungen werden künftig also auch Stipendien umfassen, denn was sonst wohl soll man unter Debütförderungen verstehen?

Und sie wird sich, wie sich aus der Förderung von Konzepten, von Gastspielen und Wiederaufnahmen ergibt, an der Grenze zur institutionellen Förderung bewegen.

 

Nach Ziffer 7. der Fachförderrichtlinie muss das Kulturamt bei der Erarbeitung des Verwaltungsvorschlags für die Projektförderung „Fachbeiräte“ hinzuziehen, die sich aus einem Experten für das jeweilige Fach, einem Vertreter der Initiative Leipzig plus Kultur und einem Mitglied des Kulturrates zusammensetzen.

Eine ausreichende Kontrolle dieser „Fachbeiräte“ durch den Stadtrat, – die  Mitglieder des jeweiligen „Fachbeirates“ werden nicht durch den Stadtrat gewählt und haben gleichwohl einen entscheidenden Einfluss auf die Auswahl der geförderten Projekte – ist nicht vorgesehen. Allein das Herstellen des Einvernehmens mit dem Kulturausschuss reicht unserer Meinung nach hier nicht aus.

 

So ist eine unabhängige und gerechte Vergabe von Fördermitteln aus unserer Sicht nicht zu gewährleisten.

 

Liebe Kolleginnen und Kolleginnen, liebe Frau Dr. Jennicke, es wird Sie nicht wundern, dass wir dieser Vorlage nicht zustimmen können.

 

Die Arbeit, einen Änderungsantrages einzureichen, haben wir uns in diesem Fall erspart. Aufgrund der Vorberatungen wäre unser Änderungsantrag, der das Bewilligungsverfahren und die Instrumente der Projektförderung betroffen hätten, hier nicht mehrheitsfähig gewesen.

 

Diese Vorlage zeigt uns einmal mehr:

Leipzig braucht eine neue Kulturpolitik!