Rede zur wirtschaftpolitschen Stunde am 10. März 2022

Michael Weickert

Michael Weickert

BA Kulturstätten; FA Jugend und Schule; FA Kultur

Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren Kollegen, verehrte Gäste! 

Der 24. Februar 2022 stellt eine tiefgreifende Zäsur für unsere Stadt, unser Vaterland und für den gesamten Kontinent dar. Ein Status quo ante bellum wird sich nicht mehr erreichen lassen. Wie in der Sondersitzung des Deutschen Bundestages durch den Bundeskanzler und den Oppositionsführer herausgestellt, gibt es für die Bundesrepublik Deutschland und die Deutschen keinen Zweifel, auf wessen Seite der Geschichte sie stehen.  

Diese Haltung hat Konsequenzen. Und aus meiner Sicht ist es wichtiger, dass sich der Leipziger Stadtrat mit diesen Konsequenzen auseinandersetzt, gerade jetzt in dieser Zeit. Themen wie Innovation, Digitalisierung oder Bürokratieabbau finden sich seit Jahrzehnten in den Wahlprogrammen aller Parteien und keiner wird wirklich etwas dagegen haben.  Ich sehe allerdings, dass sich Millionen Menschen in Deutschland derzeit andere Sorgen machen. 

Die grassierende Inflation treibt Preise für Benzin, Energie, Lebensmittel, Dienstleistungen nach oben. Diese spürbare Geldentwertung trifft alle: Angestellte, Arbeitnehmer, Selbstständige, Beamte, Rentner. Die Unsicherheit in der Versorgung mit Strom, Wärme, Gas ist natürlich besonders bei Menschen mit geringem Einkommen spürbar. Welche Antworten gibt unsere politische Führung in der Kommune, im Freistaat und in der Bundesregierung auf diese Sorgen? 

All das wird selbstverständlich überschattet vom Leid der Menschen, die durch Putins Krieg betroffen sind.  Das atlantische Bündnis, die Gemeinschaft freier, demokratischer Völker steht vor ihrer größten Bewährungsprobe seit dem Ende des Kalten Krieges. Jene, die derzeit in der Ukraine gegen Putin kämpfen, kämpfen dabei auch für unsere Freiheit und für das Erbe der Friedlichen Revolution. 

Wir hier in diesem Gremium, auch ich, sind gern an vorderster Linie dabei, in großen Reden die freiheitlich-demokratische Grundordnung, unser moralisches Wertegerüst und vieles mehr zu preisen. Aber wir müssen uns nun die Frage stellen, welchen Preis wir bereit sind dafür zu zahlen. Dieser Krieg im Osten Europas wird über Jahrzehnte Auswirkungen auf uns haben. Sind wir bereit, auf die neue Lage auch neue Antworten zu geben? 

Meine Damen und Herren, Innovation braucht Freiraum und lässt sich nicht per Ratsbeschluss auf den Weg bringen. Innovative Ideen gedeihen selten in politischen Gremien, sondern eher in den Köpfen unabhängiger, mutiger Menschen. Unsere Aufgabe muss es sein, die Rahmenbedingungen zu schaffen innerhalb unserer sozialen Marktwirtschaft. Lassen Sie mich zwei Beispiele bringen, wo wir von der Stadtverwaltung mehr erwarten: 

Im Doppelhaushalt 2019/2020 haben wir ein Digital Hub vorgeschlagen und es wurde auch durch diesen Rat beschlossen. Von der Umsetzung ist bisher noch nichts zu sehen. Genau so wenig sehen wir von der Umsetzung des Beschlusses zum KlimaHub aus diesem Haushalt. Die Liste von Baustellen, von nicht umgesetzten Ratsbeschlüssen, von Trägheit, von mangelnder Führung wird immer länger. Sätze wie “das nehme ich mal mit” und “das reiche ich nach” hören wir Stadträte in jeder Ratssitzung aus dem Kreis der Bürgermeister. Diese Arbeitsweise dient der Allgemeinheit nicht, sie nützt nur sich selbst. 

Andererseits betätigt man sich in Verwaltung uns Rat oft sehr eifrig als Innovationsbremse. Es ist eben nicht sonderlich innovativ, städtische Grundstücke grundsätzlich nicht mehr verkaufen, sondern nur noch verpachten zu wollen. Eine soziale Marktwirtschaft funktioniert irgendwann nicht mehr, wenn alle das so machen würden. Und letztlich zeugt es auch von Misstrauen gegenüber den Menschen, die ihre innovativen Ideen in die Tat umsetzen wollen und dafür vielleicht ein Grundstück von der Stadt Leipzig kaufen und eben nicht nur für 99 Jahre pachten wollen. 

Es ist auch nicht innovativ, Diskussionen über flächendeckendes Tempo 30 zu führen oder exzessiv Radstreifen auf die Straße zu malen. Damit werden letztlich nur Staus erzeugt und Wirtschaftsverkehr sowie ÖPNV behindert.  

Auch ständiges Genörgel am Flughafen scheint mir nicht sonderlich innovationsfördernd. Manchmal möchte man meinen, dass man uns bewusst wieder zurück in die Zeit vor der industriellen Revolution schicken will. 

Meine Damen und Herren, für die Zukunft muss sich vieles ändern. Wir brauchen in diesem Hause hier deutlich weniger wohlfeile Worte, deutlich weniger Belehrungen über die vermeintlich richtige Art zu handeln, zu bauen, sich fortzubewegen, sondern mehr Pragmatismus und Akzeptanz. Wir sollten uns weniger im KleinKlein symbolhafter Debatten verlieren, sondern gemeinsam für das Wohl unseres Volkes arbeiten. 

Der Krieg des Wladimir Putin verändert unser Land, verändert unserer Stadt, verändert uns als Menschen. Diese Veränderung können wir nicht verhindern. Ich will aber, dass wir diese Veränderung gestalten. Millionen Menschen warten darauf, dass wir in politischer Verantwortung ihre Probleme lösen. Dazu haben sie alles Recht.